Es ist ein Donnerstag Anfang der 90er Jahre. Ich bin auf einer Segeltour dabei, Dreimaster, viel Holz, alles glänzt. Wir sind im Norden, Kieler Förde, und einmal im Jahr geht hier die Post ab: An Land und zu Wasser wird gefeiert. Eigentlich bin ich lieber an Land. Heute nicht. Mir machen eine große Tour, und es ist Sommer, was ja im Norden nicht bedeutet, dass es auch warm ist.

Ich kenne die meisten Leute nicht, verhalte mich ruhig, ich möchte nicht auffallen. Ich bin nicht von der lauten Sorte, schon gar nicht mit Anfang zwanzig.

Am Abend großes Feuerwerk, man geht an Land. Wir liegen Boot an Boot, klettern über die hinweg, die vor uns da waren und eine Schlange gebildet haben.

Und dann ist das nächste Boot zu weit weg 

Oder die Beine zu kurz, oder die Schuhsohle zu rutschig. Erst kommt der Schreck, dann kommt die Panik, dann die rettende Hand, dann die Scham. Und die heftet sich an mich und hat erstmal nicht vor, zu verschwinden. Blödes Boot.

Damals war ich davon überzeugt, dass es die äußeren Umstände sind, die meine Gefühle diktieren. Wenn etwas schiefging, war es das Ereignis selbst, das in mir Wut, Enttäuschung oder gar Verzweiflung auslöste – oder so dachte ich. Irgendwann begann ich zu verstehen, dass es nicht die Dinge von außen sind, die in uns solche Reaktionen hervorrufen, sondern die Bedeutung, die wir ihnen beimessen.

Es war eine einfache, aber tiefgreifende Erkenntnis: Die Dinge geschehen, wie sie geschehen. Doch ob sie uns aus der Bahn werfen oder nicht, liegt allein in unserer Hand 

Es ist nicht der Regen, der unsere Stimmung trübt, sondern unsere Entscheidung, ihn als unangenehm zu bewerten. Es ist nicht der Verlust, der uns verzweifeln lässt, sondern die Bedeutung, die wir dem Verlust zuschreiben. Auch wenn es sich dabei um den Verlust trockener Kleidung handelt.

Dieser Abstand, den wir zu den äußeren Umständen gewinnen können, eröffnet uns eine Freiheit 

Eine Freiheit, die uns lehrt, dass es nicht die Welt ist, die uns prägt, sondern unsere Reaktion auf sie. Wenn wir lernen, den Dingen die Bedeutung zu entziehen, die uns gefangen hält, gewinnen wir eine innere Flexibilität, die uns unerschütterlich macht.